Nach einer Woche bin ich in Villatuerta angekommen. In Kilometer umgerechnet bedeutet das seit dem Start in SJPDP in etwa 100. Es liegen also noch knappe 700 Kilometer vor mir. Bei einer Veranschlagung von sechs Wochen für die Gesamtstrecke sollte ich wohl langsam einen Zahn zulegen. Wenn ich nur könnte... Ich tröste mich damit, dass keine Pyrenäen mehr zwischen mir und Santiago liegen.
Blick auf die schön angelegte Kirche von Ventosa ( mein Tag 10)
Tag 8 Villatuerta nach Los Arcos
"Verdammt, das ist mir schon viel zu heiß heute." (ich zu mir)
Nach einer erholsamen Nacht in einer kleinen, neu eröffneten Albergue, steht heute eine landschaftlich wunderschöne Etappe nach Los Arcos an. Wenn, ja wenn da die Sonne im letzten Abschnitt mehr Erbarmen gehabt hätte.
Heute ist mir das erste Mal richtig heiß unterwegs und die letzte Stunde bis nach Los Arcos ist qualvoll, Füße tun weh, Rucksack ist schwer, Kopf ist heiß, Körper total verschwitzt. Am liebsten würde ich mich auf den Weg setzen und keinen Schritt mehr tun. Aber dazu ist es auch zu heiß. Ich gebe mein Bestes, das ist pure Willenskraft, und komme am Tagesziel an.
Tag 9 Los Arcos nach Logrono
"28 Kilometer? Du wirst langsam übermütig, oder?" (meine Füße zu meinem Kopf)
Mein neuer persönlicher Tageskilometerrekord. Nachdem ich gestern schon dachte, die Etappe wäre anstrengend gewesen, hat die heutige dies nochmals in den "Schatten" gestellt. Ich bin wirklich an meine Grenzen gegangen und nach 28 Kilometern auf der letzten Rille in Logrono eingelaufen. Nach den Reaktionen meiner Mitpilger in der Albuerge, sehe ich wohl aus wie ein Zombie.
Erneut geht es vorbei an vielen symmetrisch gepflanzten Olivenbäumen, Feldern und Weinreben, sowie zig von Pilgern mühevoll aufgestapelten Steinhaufen. Wieder ein wunderbarer Tag, der letzte durch die Region Navarra.
Tag 10 Logrono nach Ventosa
"Meine Füße verglühen wie Sternschnuppen in diesen megadicken Bergstiefeln" (ich zu Pilger)
Hallo Rioja! Wein wurde auch schon die letzten Tage entlang des Jakobsweges angebaut. Heute hinter Logrono jedoch weniger. Oder ich habe keinen Blick dafür, denn ich zockele müde vor mich hin, ein heißes Pfund Blei an jedem Fuß. Wünsche mir leichte, gedämpfte Trailrunner und, dass Ventosa schnell in Sicht kommt.
Trotz Bananen und Magnesiumzufuhr schreit mein Körper schon wieder nach Pausentag. Das kann doch nicht wahr sein! Doch kann es. Er ist diese Strapazen nicht gewohnt. Etappe heute ist durchwachsen, ohne landschaftliche Highlights.
Tipp: Beim Abstieg nach Zubiri waren meine Bergstiefel Gold wert, aber auf asphaltierten Straßen und harten Untergrund sind sie im Sommer viel zu schwer.
Tag 11 Ventosa nach Najera
"Nur ganz wenig heute, ok?"(gesamter Körper zu Kopf)
Ein fantastischer Morgen! Schönes Licht! Heute fühle ich mich endlich gut und, ein ganz neues Gefühl: fit. Statt Pause hatte ich gestern Abend mit meinem Körper einen Kurzstreckentag ausgehandelt. Nur 12 Kilometer heute.
Jeden Tag weit über 20 Kilometer kann ich einfach noch nicht gehen. Aber das wird schon. Ich spüre, dass es leichter wird.
Heute geht es an vielen Weinanbaugebieten vorbei ins schön gelegene Najera. Nach drei Stunden bin ich viel zu früh da und muss auf das Öffnen der Herberge warten.
Sitze im Park am Fluss in der angenehmen Sonne und genieße den Moment. Das Leben ist wunderbar!
Ich hätte noch weiter gekonnt....
Tag 12 Najera nach Santa Domingo de la Calzada
"In the desert you can't remember your name...." (Lyrics America)
"....cause there ain't no one for to give you no pain." Heute geht es sich wieder nicht gut. Singe den Song den ganzen Tag in Endlosschleife, um mich von körperlicher Pein abzulenken. Nur wenn mich jemand überholt, verstumme ich kurz. Möchte niemand belästigen mit meiner kurzen Playlist.
Herausfordernde Etappe. Wieder wüstenwarm heute.
Ich dachte immer, wenn ich mal eingelaufen bin, wird es sich einfacher sein. Aber ein gemütlicher Spaziergang wird es wohl nie.
Tag 13 Santa Domingo de la Calzada nach Belorado
"Spitzentag heute, meine Füße laufen von selbst!" (ich begeistert zu Pilger)
Endlich bin ich, im übertragenen Sinne, auf dem Camino angekommen. Ich fühle mich heute fit, wach, frei, absolut wohl. Beschwingt gehe ich Richtung Belorado.
Einziges Manko - habe heute Lippen wie eine schuppige Wüsteneidechse, aber natürlich kein Balsam. Und das Pflegeprodukt für die Füße will ich nicht auf die Lippen tun.
Meine Albergue in Belorado hat sogar einen Pool, nur ich aus Sparmaßnahmen keinen Bikini. Essen ist toll, Gesellschaft großartig, Lippenfett hat die Apotheke.
So darf es weitergehen!
Tipp: Unbedingt Lippenpflegestift und Sonnencreme mitnehmen!
Tag 14 Belorado über Espinal del Camino nach Burgos
"Ja. Ich komme nach Hause. Direkt." (ich am Telefon zur Familie)
Ein Trauerfall in der Familie. Die Nachricht erreicht mich bei Espinal. Nach zwei Wochen und 260 Kilometern. Von einer Sekunde auf die andere ist dieser Weg für mich zu Ende. Eiskalter Schock. Ich nehme einen Bus nach Burgos und einen weiteren nach Madrid. Von dort direkt nach Hause.
Gerade hatte ich mich eingegroovt. Hatte mich mit all diesen unglaublichen Menschen, in dieser Pilgergemeinschaft, so wohl und verbunden gefühlt. Nun muss ich meine geschützte Pilgerblase platzen lassen. Gehe ohne Abschied zum Abschiednehmen.
Recht schnell formt sich der Gedanke, dass dies wohl so sein soll und zu meinem Weg dazugehört.
Ich weiß, ich werde wiederkommen und diesen Weg zu Ende gehen.
Nach 4 Monaten geht es im September zurück nach Burgos. Wie es für mich weitergeht auf dem Camino lest ihr im Blog, Woche 3.
Danke für deinen wunderbaren Bericht über deine ersten 2 Wochen, der ja leider nicht schön endet. Aber ich weiß ja dass es weitergeht.... Die Bilder sind fantastisch, sie leuchten, sie machen Freude und Sehnsucht.... Ich freu mich auf meinen Teil 2..... Und darf träumen mit deinen schönen Bildern. Liebe Grüße Brigitte